Leseprobe zu Monster Road

Kapitel 1

Der Kopfgeldjäger saß in einer dunklen Ecke der Kneipe, seine groß gewachsene Gestalt fast vollständig verschmolzen mit den Schatten, welche den Raum füllten. Draußen rüttelte der Wind an den Türen und dünnen Fensterscheiben des Gebäudes und die vereinzelten Glühbirnen an der Decke flackerten in einem unbeständigen Rhythmus. Die Nacht hatte sich längst über den Ort gesenkt und mit ihr die Kälte, welche die Menschen wie Ameisen an einem Regentag ins Innere der Kneipe gezwungen hatte. Nun saßen sie auf den alten, knarzenden Bänken und Stühlen, ein gutes Dutzend an grimmig dreinblickenden Männern und Frauen, die wortlos auf den Grund ihrer Bierkrüge starrten. Sie waren in allen Ecken und Winkeln des weitläufigen Raumes verteilt, penibel darauf bedacht, keinen Fremden zu nahe zu kommen, eine Hand unter dem Tisch unauffällig an der Stelle ruhend, wo sie ihre Waffen verbargen. Manch einer hätte sie als paranoid bezeichnet, aber der Kopfgeldjäger hielt ihre Reaktion durchaus für angemessen – zumindest, wenn man wusste, dass sie gerade in einem Raum voller Mörder saßen.

Er fischte sich eine Zigarette aus dem Inneren seiner Manteltasche und zündete sie an. Während sich seine Lungen langsam mit Rauch füllten und die aufstiebenden Funken die Schatten um ihn herum aufglühen ließen, lehnte er sich auf der Bank zurück. Er tat so, als würde er die vereinzelten Blicke nicht bemerken, die ihm die anderen Anwesenden zuwarfen. Er wusste, dass sie im Kopf gerade Dutzende von Möglichkeiten durchspielten, wie er am einfachsten zu töten wäre – für den Fall der Fälle. Er wusste es, weil er sich dieselben Gedanken gemacht hatte, als er die Kneipe vor einer halben Stunde betreten hatte.

Da war der Mann in der Ecke mit dem weißen Schnauzer und den hellen Augen, der immer wieder verstohlene Blicke zu Rita, der Bardame, warf. Er war so fokussiert auf die Kneipenbesitzerin, dass er nicht bemerkt hatte, dass ihm sein Messer aus der Tasche geglitten war. Eine Sekunde länger, die er benötigen würde, um es zu ziehen. Eine Sekunde, die ihm in einem Kampf zweifellos das Leben kosten würde.

Weiter vorne saß eine junge, schlanke Frau am Tisch beim Eingang. Sie war längst nicht so ruhig, wie sie sich gab, die langen Nägel leise über die hölzerne Tischplatte kratzend. Sie hatte ihren Rücken den Fenstern zugewandt. Eine gute Wahl – bis man realisierte, dass sie selbst bei einem Fehlschuss in einem Regen aus Scherben begraben werden würde. Und der Mann an der Bar, dessen Hände so schwitzig waren, dass er sein Glas kaum mehr halten konnte, war nicht einmal einen Gedanken wert. Die Kugel würde seinen Hinterkopf lange durchbohrt haben, bevor er wusste, was ihm geschah.

Der Kopfgeldjäger stieß eine Rauchwolke aus und sah dabei zu, wie sie zwischen den flackernden Lichtern zur Decke stieg. Von irgendwoher drangen verstimmte Klavierklänge an seine Ohren. Vermutlich ein alter Plattenspieler oder ein CD-Player, auch wenn sie in den letzten Jahren immer seltener anzutreffen waren. Die meisten, die nicht während des Krieges unter Trümmern begraben worden waren, waren längst dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallen. Nicht, dass der Kopfgeldjäger sich sonderlich für jene Artefakte aus der Vergangenheit interessierte. Musik hatte keinen Platz in einer Welt wie dieser. Und Nostalgie schon gar nicht.

Die Tür ging auf. Im selben Augenblick drehten sich alle Köpfe im Inneren der Kneipe in Richtung des Eingangs. Zwei Frauen standen dort, ihre Gestalten für einen Moment kaum mehr als schwammige Silhouetten im Türrahmen. Eine von ihnen war groß gewachsen, mit schwarzer Haut, dichten Cornrows und einem mit Wurfmessern beladenen Gürtel. Die Frau neben ihr war deutlich kleiner und schmächtiger, hatte helle Haut und eine Lederjacke über die Schultern geschwungen, die einst wohl rot gewesen war, nun aber von hellem Staub und Sand bedeckt war. An der Seite trug sie eine ausgebeulte Ledertasche und eine Waffe – ein Ruger Blackhawk, soweit der Kopfgeldjäger das aus der Distanz feststellen konnte. Robust. Präzise. Keine schlechte Wahl, auch wenn offensichtlich war, dass die Frau ihn bei Weitem nicht nur aus praktikablen Gründen so offen an der Seite präsentierte. Die Nachricht war klar: Ich werde nicht zögern, zu schießen, wenn ich es für nötig halte.

»Abend, Ladies«, kam es von Rita, die sich als Einzige im Raum erst jetzt zu den Neuankömmlingen umdrehte. »Kann ich euch zwei Hübschen was anbieten?«

Die Frau in der Lederjacke rang sich ein gezwungenes Lächeln ab. »Wir werden nicht lange bleiben.« Sie machte eine auffordernde Bewegung in Richtung ihrer Kollegin, bevor sie mit zielstrebigen Schritten auf den Tisch des Kopfgeldjägers zusteuerte.

»Crater, nehme ich an?«, fragte sie, nachdem sie vor ihm stehen geblieben war. Ihre Kollegin blieb hinter ihr zurück und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen eine der Holzsäulen im Raum.

Der Kopfgeldjäger drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus. »Mhm.«

»Wir waren in Kontakt.«

»Ich erinnere mich.«

Da war etwas in ihrem Blick, was der Kopfgeldjäger nur zu oft in Menschen hier draußen sah. Eine Härte, wie sie nur Überlebende in ihren Augen trugen – jene, welche den Krieg und das Grüne Feuer und alles, was danach kam, noch miterlebt hatten. Sie schenkte ihm ein kurzes Nicken, eine Art stumme Anerkennung ihres geteilten Schicksals, bevor sie sich ihm gegenüber auf den Stuhl sinken ließ. Die Tasche schmiss sie auf die Bank.

»Die Ware?«, kam sie direkt auf den Punkt. Kein unnötiger Small Talk. Keine Lobhudeleien. Der Kopfgeldjäger war dankbar dafür. Er hatte kein Interesse daran, Zeit mit sinnlosen Gesprächen zu verschwenden.

»Draußen im Wagen.«

Erst jetzt bemerkte er das Tattoo, das die Stelle unter ihrem rechten Schlüsselbein zierte. Es war die Abbildung einer Schlange, die sich in den eigenen Schwanz biss – die Markierung, welche sie als Teil der Rattlesnakes auszeichnete. Sie kontrollierten ein kleines, unwichtiges Gebiet im Süden der Großen Weite, wo die Monsterangriffe sich in Grenzen hielten und die Hounds noch nicht vorgedrungen waren. Der Kopfgeldjäger hatte bisher nur selten mit den Rattlesnakes zu tun gehabt, aber sie bezahlten gut und brachten keine Beschwerden an. Das war mehr, als er vom Großteil seiner Kundschaft behaupten konnte.

Der Kopfgeldjäger leerte sein Bierglas, wischte sich mit dem Ärmel seines Mantels über den Bart und erhob sich von der Bank. Er nahm seinen Stetson vom Tisch, bevor er sich daran machte, die Kneipe unter den wachsamen Blicken der Anwesenden zu verlassen. Einige von ihnen versteiften sich kaum merkbar, als er seinen Hut aufsetzte, ein Ausdruck der Erkenntnis über ihre Züge huschend. Spätestens jetzt hatten sie zweifellos begriffen, wer er war. Nicht, dass er es je zu verbergen versuchte. Oder konnte. Dinge sprachen sich schnell herum in der Großen Weite. Auch wenn die Hälfte der Gerüchte, die über ihn existierten, nicht einmal annähernd der Wahrheit entsprachen, machte der Kopfgeldjäger sich selten die Mühe, sie zu bestreiten. Solange die Leute sich von ihm fernhielten, konnten sie sagen, was sie wollten.

Die Frau mit der Lederjacke folgte ihm, ihre Kollegin dicht auf den Fersen. Sie schienen beide darauf erpicht zu sein, die Übergabe schnell hinter sich zu bringen. Gut. Der Tag war sowieso schon lange genug gewesen.

Kühler Wind schlug dem Kopfgeldjäger entgegen, als er die Doppeltür nach draußen aufstieß. Er hielt seinen Stetson mit einer Hand fest, während er seinen Blick über die Gegend schweifen ließ. Früher war diese Straße wohl mal ein Ladenbezirk oder etwas Ähnliches gewesen, aber davon war nicht mehr viel übrig. Die meisten Häuser waren eingestürzt, entweder durch die Bomben oder bei Kämpfen der verschiedenen Gangs. Übrig waren nun einzig und allein die Trümmer und die Skelette ihrer Fundamente. Die Kneipe war das einzige beleuchtete Gebäude weit und breit und malte rechteckige Lichtstreifen auf den von Rissen und Schlaglöchern durchzogenen Asphalt.

Feiner Sand knirschte unter den Stiefelsohlen des Kopfgeldjägers, während er auf das geparkte Fahrzeug am Ende der Straße zusteuerte. Der Himmel war klar, doch der Wind hielt an und erste Wolken schoben sich über den Horizont. Hoffentlich kein Anzeichen für einen weiteren verdammten Sandsturm.

Der Kopfgeldjäger hielt vor dem SUV an und kramte den Schlüssel aus seiner Manteltasche. Die Frauen warteten, die Hände auf ihren Waffen ruhend. Mit einem Knarzen öffnete sich der Kofferraum.

Der gefesselte Mann gab ein hörbares Stöhnen von sich, das durch den Knebel in seinem Mund gedämpft wurde. Er schlug verzweifelt um sich, nur um nach wenigen Sekunden zu erstarren, als er den Kopfgeldjäger entdeckte.

Die Augen der Frau mit der Lederjacke verengten sich bei seinem Anblick. »Ist er verletzt?«

»Ein paar blaue Flecken«, antwortete der Kopfgeldjäger. Es war ein Leichtes gewesen, den Typen zu überwältigen, nachdem er ihn einige Meilen östlich von hier aufgespürt hatte, wie ein verdammter Feigling zwischen ein paar alten Ruinen kauernd. Kaum war die Waffe auf ihn gerichtet gewesen, war er eingeknickt wie ein Strohhalm bei Sturm.

Ein kühles Lächeln huschte über die Lippen der Frau. »Gut. Dann kann ich mich also noch etwas austoben.«

Der Mann im Kofferraum machte einen weiteren Laut. Dieses Mal kam er mehr einem kläglichen Wimmern als einem Schrei nahe.

Die Frau nickte ihrer Kollegin zu, die den Mann sogleich aus dem Kofferraum hob und über ihre Schulter schwang, als bestünde er aus Luft. Seine Augen waren geweitet und auf den Kopfgeldjäger gerichtet, ein stummes Flehen in ihnen. Der Kopfgeldjäger ignorierte es. Er bevorzugte es, so wenig wie möglich über seine Fänge zu erfahren – oder was mit ihnen passierte. Es machte den Job einfacher. Im Endeffekt spielte es keine Rolle, was der Typ getan hatte. Er hätte ein verdammter Heiliger sein können und es hätte nichts verändert. Alles, was den Kopfgeldjäger interessierte, war, dass dieser Fang ihn für die nächsten Wochen am Leben halten würde.

Er lehnte sich gegen das Fahrzeug und zündete eine weitere Zigarette an, während die Frau in der Lederjacke sich zu ihm umdrehte.

»Es stimmt also, was sie sagen«, meinte sie. »Du bist wirklich einer der Besten.«

»Ich tu, was getan werden muss«, murmelte er.

»Das tun wir alle, nicht wahr?« Die Frau reichte ihm die ausgebeulte Ledertasche, die sie bisher eng an ihrer Seite getragen hatte. »Hier. Sollte alles drin sein, was du verlangt hast.«

Der Kopfgeldjäger nahm die Tasche entgegen und zog den Reißverschluss auf. Ein Bündel Geldscheine lag ganz oben – nicht mehr als ein gutes Dutzend, denn Geld hatte an den meisten Orten längst seinen Wert verloren. Weiter unten entdeckte er mehrere Packungen Munition und Batterien, einen Kanister Benzin, ein paar Flaschen Wasser und einige Konservendosen. Rasch zählte er die Mengen durch, dann schloss er die Tasche wieder.

»War mir eine Freude, mit dir Geschäfte zu machen«, sagte die Frau, nachdem er seine Inspektion abgeschlossen hatte. »Auf ein nächstes Mal.«

Sie wandte sich von ihm ab und machte sich daran, ihrer Kollegin zu folgen, die den gefesselten Mann soeben zu einem Geländewagen neben einem eingestürzten Gebäude gezerrt hatte. Wenig später waren die beiden verschwunden. Zurück blieb nur Stille.

Der Kopfgeldjäger verharrte an Ort und Stelle. Er legte den Kopf in den Nacken und beobachtete, wie die Funken seiner Zigarette zum Himmel stiegen. Er war müde, aber es war keine Müdigkeit, die von harter Arbeit kam.

Gott, er wurde langsam zu alt für diesen Mist.

Er schloss für einen Moment die Augen. Als er sie das nächste Mal öffnete, war eine Waffe auf ihn gerichtet. Ein junger Mann stand beim Eingang zu einer dunklen Gasse, sein Körper dürr, die Kleidung wie nasse Lappen von seinen Gliedmaßen hängend. Er war leichenblass, die Augen eingefallen, aber er hielt die Pistole dennoch zielsicher auf die Stirn des Kopfgeldjägers.

»Keine Bewegung!«, zischte er. »Oder du bist tot!«

Dem Kopfgeldjäger entwich ein viel zu langer Atemzug. Er ließ die Zigarette zu Boden fallen und drückte sie mit seiner Schuhspitze aus. »Du willst das nicht tun.«

»Keine Bewegung, hab ich gesagt!«, schrie der junge Mann. Wie alt er wohl sein mochte? Siebzehn, achtzehn? Verflucht. »Rück die Tasche rüber, und zwar sofort!«

»Hör zu –«

»Rück sie sofort rüber oder ich schieße, verdammt nochmal!«

Der Kopfgeldjäger verzog das Gesicht. Vielleicht würde der Junge das wirklich. Fast wünschte er sich, er täte es.

Ein Schuss hallte durch die Nacht, laut und klar. Der junge Mann gefror in seinen Bewegungen, ein kugelförmiges Loch in seiner Stirn prangend. Ein einzelner Blutstropfen trat daraus hervor und rann über sein Gesicht. Wenige Sekunden später brach er zusammen, seine dürre Gestalt fast komplett verborgen unter seiner zu weiten Kleidung.

Langsam drehte sich der Kopfgeldjäger zum Schützen um. Ein Mann trat aus dem Schatten der Gebäude auf der anderen Straßenseite heraus. Es war offensichtlich, dass er nicht hierhergehörte. Er trug einen schwarzen Anzug und polierte Schuhe, die nie zuvor den sandigen Boden der Großen Weite berührt hatten. Die Überreste seiner einstigen Haarpracht klebten an seinem runden Haupt, und auf seinen Lippen machte sich ein Lächeln breit, während er die Waffe in der Tasche verstaute.

Der Kopfgeldjäger musterte den Mann vor sich. In all den Jahren, die er nun schon in der Großen Weite lebte, hatte er gelernt, Menschen zu lesen. Das war ihm nicht nur auf vielen Jagden zugutegekommen, sondern hatte ihm auch mehr als einmal in brenzligen Situationen den Kopf gerettet. Es war lange her, seit er jemanden vor sich gehabt hatte, der so unlesbar war wie dieser Fremde hier. Etwas an ihm war falsch, auch wenn der Kopfgeldjäger nicht genau benennen konnte, was.

Der Mann trat einen Schritt auf ihn zu. »Mister Carter, nehme ich an?«

»Crater«, korrigierte der Kopfgeldjäger ihn.

Der Fremde räusperte sich. »Natürlich. Mister Crater. Mein Name ist Daventree. Mir ist zu Ohren gekommen, dass Ihr über eine erstaunliche Expertise verfügt beim Auffinden von Menschen.«

»Für den richtigen Preis«, grummelte der Kopfgeldjäger.

»Aber selbstverständlich! Lasst mich Euch versichern, dass wir keine Kosten und Mühen scheuen werden, um Euch zu entlöhnen«, erklärte Daventree. »Alles, was Ihr dafür tun müsst, ist, eine bestimmte Person für uns zu finden und sicher zu uns zurückzubringen.«

»Wir?«

»Ich und ein paar meiner Vertrauten, die sehr interessiert daran sind, mit euch zusammenzuarbeiten.«

»Wo ist der Haken?«

»Kein Haken, Mister Crater!«, versicherte ihm der Anzugträger überschwänglich. »Lediglich der Zeitfaktor ist für uns entscheidend. Je schneller Ihr Eure Arbeit erledigt, desto besser.«

Also doch ein Haken.

»Uns wurde gesagt, dass Ihr einer der Besten im Lande seid, also nehme ich an, dass das für Euch keinerlei Problem darstellen wird«, ergänzte Daventree. Er verschränkte die Arme hinter dem Rücken. »Also, Mister Crater. Seid Ihr interessiert?«

»Kommt darauf an«, entgegnete der Kopfgeldjäger und löste sich vom Auto, um vor den Anzugträger zu treten. »Was zahlt Ihr?«

Daventree schluckte, hielt dem Blick jedoch stand. »Nennt mir Euren Preis und wir werden ihn zahlen.«

Der Kopfgeldjäger verzog das Gesicht. Der Anzugträger mochte eine Nervensäge sein, aber er verfügte über Reichtum, soviel verriet bereits der Geruch seines unerträglich penetranten Deodorants. Vermutlich stammte er aus einer der Communitys im Norden. Jemanden wie ihn hier anzutreffen, war mehr als ungewöhnlich. Aber es bewies wohl, wie ernst es ihm war. Außerdem konnte der Kopfgeldjäger die Belohnung gut gebrauchen. Die Materialien, die ihm die Rattlesnakes überreicht hatten, würden nicht länger als ein paar Wochen reichen. Und mit den zunehmenden Monsterangriffen, die seine Arbeit in den letzten Monaten zusätzlich erschwert hatten, konnte er etwas Vorrat zweifellos gebrauchen.

»Also gut«, willigte er deshalb ein. Ein Job war ein Job. Ganz egal, ob er von einem unerträglichen Wandlecker wie dem Anzugträger kam.

»Wunderbar!«, entfuhr es diesem und er klatschte in die Hände. »Ich verspreche Euch, dass es sich für Euch lohnen wird, Mister Crater! Habt Ihr schon gegessen? Lasst mich Euch auf ein Abendessen einladen. Ich werde Euch alle Details über Euren neuen Auftrag verraten.«

Der Kopfgeldjäger seufzte. Dieser beschissene Tag würde wohl nie enden.


 

Kapitel 2

Zwei Tage zuvor …

 

Drei Glockenschläge ertönten, als die Sonne sich an diesem Morgen über Harlem erhob. Drei einzelne, helle Töne, welche die frohe Botschaft über die Dächer der kleinen Stadt bis hin zum Rand der Wüste trugen: Heute war der Tag, an dem Juliette Wright sterben würde.

Es waren nicht die Glockenschläge, die Juliette an diesem Morgen aus dem Schlaf rissen, und auch nicht die gedämpften Rufe ihrer Mutter aus dem Erdgeschoss. Vielmehr lag sie bereits seit Stunden wach auf der harten Matratze ihres winzigen Zimmers und starrte regungslos an die weiße Decke über ihr. Eigentlich hätte sie Schlaf dringend nötig gehabt, war er doch in den letzten Wochen mit all den Vorbereitungen schon zu kurz gekommen. Heute war der entscheidende Tag. Sie durfte sich keinen Fehler erlauben, keinen Ausrutscher, kein Zögern. Ansonsten war alles, worauf sie in den letzten Monaten hingearbeitet hatte, umsonst gewesen.

Sie tat so, als würde sie nicht hören, wie ihre Mutter die Treppenstufen ins Obergeschoss hinaufstieg, immer noch laut Juliettes Namen rufend. Stattdessen drehte sie sich auf die Seite und schloss die Augen, als würde sie tatsächlich schlafen. Es war wichtig, die Fassade aufrechtzuerhalten.

»Juliette?« Ihre Mutter klopfte an die Tür. Das war neu. Normalerweise stürmte sie ohne Vorwarnung ins Zimmer, auch wenn ihre Schreie aus dem Untergeschoss ihr Kommen meist sowieso ankündeten. Vielleicht entdeckte sie ja doch noch ihre weiche Seite. Wie sagten die Älteren so schön? Am Tag der Zeremonie werden Wunder Wirklichkeit. Oder irgend so einen Mist.

»Juliette, Schätzchen, bist du wach?«

Schätzchen. Fast hätte Juliette unter ihrer Bettdecke zu lachen begonnen. Ihre Mutter legte wirklich eine preisträchtige Schauspielleistung hin.

»Ich komme jetzt rein, in Ordnung?«

Obwohl sie sich offensichtlich bemühte, konnte ihre Mutter die feine, kaum hörbare Ungeduld in ihrer Stimme nicht verbergen. Die Tür ging auf und wenig später spürte Juliette eine Hand an ihrer Schulter.

»Guten Morgen«, flüsterte ihre Mutter. Da war eine ungewohnte Sanftheit in ihrem Tonfall, die Juliette erschaudern ließ. »Heute ist der große Tag.«

So, wie sie es sagte, klang es beinahe wie eine Drohung. Vielleicht war es das auch.

»Sieh zu, dass du dich rasch fertig machst. Bruder Oliver und Bruder Daventree warten bereits unten in der Küche.«

Ah. Das erklärte die Performance.

Juliette unterdrückte ein Gähnen und rieb sich theatralisch die Augen. Ihre Mutter wollte eine Schauspielleistung sehen? Die konnte sie haben.

»Ich bin in ein paar Minuten unten«, säuselte Juliette und setzte ihr größtes, falsches Lächeln auf. Es fiel ihr nicht schwer. Sie hatte genug Zeit gehabt, zu üben.

Trotzdem war es offensichtlich, dass ihre Mutter ihre Vorführung durchschaute, denn ihre Augen verengten sich bei Juliettes Worten drohend. Doch sie sagte nichts, erwiderte das Lächeln bloß und drückte die Finger auf Juliettes Schulter tiefer in die Haut. »Beeil dich, ja? Die Brüder warten nicht gerne.«

»Werde ich«, versprach Juliette.

Dann löste ihre Mutter endlich den Griff um ihre Schulter und erhob sich. Sie strich sich die Falten in ihrem langen Rock zurecht, bevor sie das Zimmer verließ und Juliette allein zurückließ. Immerhin machte sie sich die Mühe, die Tür hinter sich zu schließen.

Aus dem Untergeschoss hörte Juliette die Stimmen von Bruder Oliver und Bruder Daventree, vermischt mit dem höflichen Lachen ihrer Mutter. Vermutlich unterhielten sie sich gerade darüber, wie viel einfacher ihre Leben werden würden, wenn Juliette endlich weg war.

Verdammte Bastarde.

Sie setzte sich auf der Bettkante auf und strich sich ein paar Locken ihres widerspenstigen roten Haars aus dem Gesicht. Nicht, dass es viel verändert hätte, denn sie kehrten nach wenigen Sekunden stur in ihre ursprüngliche Position zurück. Juliettes Blick fiel auf das weiße Gewand, das an einem Kleiderhaken vor ihrem Schrank hing: Knöchellang, mehr Sack als Kleid, mit fein bestickten Rändern und dünnen Schnüren, um es am Rücken festzuzurren. Bei seinem Anblick entglitt Juliette ein verächtliches Schnauben. Zeremonienkleid. Von wegen. Der einzige Grund, weshalb die Älteren die auserwählten Mädchen in diese Stofffetzen zwangen, war die Befriedigung ihrer eigenen, kranken Fantasien.

Rasch löste Juliette ihren Blick von dem Kleid und zwängte sich stattdessen in den langen, grauen Rock und das Oberteil auf ihrer Kommode. Einen Vorteil hatte es ja, dass sie heute sterben würde: Sie würde nie wieder einen dieser hässlichen Röcke tragen müssen.

Sie bändigte ihre Haare notdürftig mit einem Band, das die Locken wenigstens aus ihren Augen fernhielt, spritzte sich etwas vom Wasser aus der Schüssel neben ihrem Bett ins Gesicht und stieg schließlich hinab ins Erdgeschoss. In der Küche waren Bruder Oliver und Bruder Daventree immer noch in ihr Gespräch vertieft, während Juliettes Mutter ihnen eine Tasse Tee einschenkte. Als Juliette den Raum betrat, verstummten sie augenblicklich.

»Guten Morgen, Juliette.« Bruder Daventree lächelte sie an und entblößte dabei seine viel zu weißen Zähne. Er trug einen schwarzen Anzug und viel zu viel Gel in dem Taubennest, das den Namen Haare längst nicht mehr verdient hatte. Die Ellbogen hatte er auf dem Küchentisch abgestützt und die Spitzen seiner Finger aneinandergelegt, wie er es immer tat. Er dachte vermutlich, dass ihn das besonders heilig aussehen ließ.

Juliette machte einen Knicks, auch wenn sie sich viel lieber übergeben hätte, und erwiderte die Begrüßung. »Guten Morgen. Bruder Daventree. Bruder Oliver.« Sie nickte dem zweiten Mann am Tisch zu – ein breiter, bäriger Typ mit einer Monobraue, die ihn aussehen ließ, als würde sein Gesicht in ewigem Stirnrunzeln verharren.

»Und was für ein guter Morgen es ist!«, entfuhr es Bruder Daventree.

»Allerdings«, stimmte Bruder Oliver ihm zu.

Ihre Blicke lasteten für einen Moment auf Juliette und musterten sie von oben bis unten, als wäre sie Vieh auf einem Markt. Sie verschränkte ihre Hände hinter dem Rücken und ballte sie zu Fäusten, während sie sich vorstellte, wie sie den beiden Männern ihre Tees ins Gesicht klatschte.

»Oh, und wie sie strahlt!«, bemerkte Bruder Oliver ihre Reaktion. »Ich muss zugeben, als die Götter dich ausgewählt haben, war ich mir nicht sicher, ob du der Herausforderung gewachsen sein würdest. Aber wenn ich dich jetzt so sehe, dann habe ich keine Zweifel daran, dass sie die richtige Entscheidung getroffen haben.«

Juliette fragte sich, ob er tatsächlich glaubte, was er da von sich gab. Vermutlich konnte man alles glauben, wenn man es sich lange genug einredete. Fakt war, dass der Auswahlprozess weniger mit der endlosen Weisheit der Götter zu tun hatte und mehr mit dem Wunsch, die eigene Haut zu retten. Oder vielmehr: die der eigenen Töchter. Es war immerhin kein Zufall, dass die Töchter der Älteren nie für die Zeremonie erwählt wurden – ganz egal, was sie die Leute anderes glauben lassen wollten.

Nein, es waren keine vermeintlichen Götter, die Juliette zum Tode verurteilt hatten, sondern eine Gruppe von alten Männern, die froh waren, sie endlich loszuwerden. Ein Mord, verborgen unter dem Deckmantel des Wohlbefindens. Ein Verbrechen im Namen der Götter.

»Komm«, forderte Bruder Oliver sie auf. »Setz dich zu uns.«

»Vielen Dank für das Angebot«, sagte Juliette, »aber ich sollte mich wirklich meinen Vorbereitungen widmen.«

Bruder Oliver tauschte einen erstaunten Blick mit Bruder Daventree, der daraufhin zu lachen begann.

»Was habe ich gesagt? Die Götter haben zweifellos die richtige Entscheidung getroffen. Was für eine pflichtbewusste junge Dame! So kennen wir dich gar nicht, Juliette.«

Ein Lächeln zupfte an ihren Mundwinkeln. »Ich schätze, von den Göttern auserwählt zu sein, hat meinen Blick auf diese Welt verändert.«

»Das scheint mir allerdings der Fall zu sein«, pflichtete ihr Bruder Oliver bei. »Gepriesen seien die Götter!«

»Wenn Ihr mich dann entschuldigen würdet …« Juliette zwang sich, das Lächeln aufrecht zu erhalten, auch wenn die geballten Fäuste hinter ihrem Rücken längst zu schmerzen begonnen hatten.

»Aber natürlich«, sagte Bruder Daventree. »Wir wollen dich immerhin nicht länger bei deinen Vorbereitungen stören.«

Keine Sorge, dachte sich Juliette, als sie sich mit einem weiteren Knicks aus der Küche entfernte. Sie sind sowieso schon fast abgeschlossen.

 

*

 

»Autsch!«

»Jetzt stell dich mal nicht so an«, schellte ihre Mutter sie und zurrte die Schnüre an Juliettes Rücken noch etwas enger. »Du müsstest dich nicht in dieses Kleid hineinpressen, wenn du gefälligst auf mich gehört hättest.«

Juliette starrte ihrer eigenen Erscheinung im Spiegel entgegen. Eine blasse, junge Frau in einem langen, weißen Kleid, mit nackten Füßen, deren Zehen wie Krallen in den Teppich des Zimmers gedrückt waren. Sie hatten sie gut behandelt in den letzten Monaten. Ihre Wangen waren voller geworden, die sichtbare Form ihrer Rippen verblasst, die Rundung ihrer Hüften nun deutlich unter dem engen Stoff hervortretend. Nachdem sie auserwählt worden war, hatten die Leute in der Stadt plötzlich damit begonnen, ihr Brötchen oder Süßigkeiten zu schenken, wann immer Juliette ihnen über den Weg gelaufen war. Vermutlich bildeten sie sich ein, ihr schlechtes Gewissen damit zu beruhigen.

Ein unterdrückter Aufschrei entwich Juliette, als ihre Mutter die Schnüre an ihrem Rücken noch etwas enger zurrte. Für ein paar Sekunden hatte sie das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Erst nach einem Moment gelang es ihr wieder, oberflächliche Atemzüge zu nehmen.

»Na also«, sagte ihre Mutter und trat von ihr weg.

Vorsichtig tastete Juliette ihren Bauch und die viel zu langen Ärmel des Kleides ab. Verdammt. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass sie so wenig Bewegungsfreiheit in diesem Stofffetzen haben würde. Aber jetzt war es sowieso schon zu spät, um etwas an dem Plan zu ändern.

Ihre Mutter legte ihre Hände auf ihre Schultern, sodass sie sich nun beide im Spiegel sahen. »Es ist eine große Ehre, auserwählt zu sein«, sagte sie, während sie damit begann, Juliettes Haare hochzustecken. »Das ist dir bewusst, oder?«

Auserwählt. Juliette schnaubte. Eher ein Schwein auf dem Weg zur Schlachtbank.

»Du solltest dich freuen«, meinte ihre Mutter. »Dein Tod sorgt dafür, dass unsere Gemeinschaft ein weiteres Jahr in Frieden leben darf – abseits der Monster und des Grünen Feuers und der Schrecken da draußen. Nicht jeder von uns erhält die Chance, die eigenen Sünden auf diese Art und Weise reinzuwaschen.«

Sündhaft. So nannten die Älteren Mädchen wie sie. Aufmüpfig. Stur. Hitzköpfig. Laut in einer Welt, die Schweigen von ihr erwartete. Das war ihr Verbrechen, ihre Sünde – und heute würde sie dafür sterben müssen.

Genau wie Claire es vor einem Jahr getan hatte.

Juliette umklammerte das kleine Gerät, das sie in ihrer Faust versteckt hatte, enger und schluckte die aufkommende Wut herunter.

An der Tür klopfte es. Kurz darauf trat ein großer, breitschultriger Mann mit einem gepflegten Drei-Tage-Bart und dunklen Haaren ins Zimmer. Juliettes Vater musterte seine Tochter aus eisig blauen Augen, bevor er sich seiner Frau zuwandte.

»Sie sind bereit«, erklärte er.

Obwohl sie sich jeden Tag der vergangenen Monate darauf vorbereitet hatte, machte Juliettes Herz bei seinen Worten dennoch einen Sprung. Ab jetzt gab es kein Zurück mehr.

»In Ordnung«, sagte Juliettes Mutter. Sie strich ihr, fast schon zärtlich, eine Locke aus dem Gesicht, bevor sie sie aus dem Raum führte. Als sie das obere Ende der Treppe erreicht hatten, löste sich Juliette aus dem Griff ihrer Mutter und ging die Stufen eigenhändig hinunter.

»Bruder Daventree hat mir erklärt, dass das Fest heute Abend bei ihnen stattfinden soll«, erklärte ihr Vater.

»Oh, wie schön. Die Daventrees haben so einen entzückenden Garten«, meinte ihre Mutter.

Sie sprachen über Juliette, als wäre sie nicht da. Das war nichts Neues, aber an diesem heutigen Tag fühlte es sich ganz besonders bitter an. Ihre Tochter würde in wenigen Stunden tot sein und sie unterhielten sich über das Festmahl, das sie heute Abend zu Ehren der Götter genießen würden.

Juliette wünschte sich, es hätte sie überrascht.

Als sie ins Wohnzimmer kamen, erhoben sich Bruder Oliver und Bruder Daventree fast zeitgleich vom Sofa. Ihre Anzüge vom Morgen hatten sie gegen lange, rote Roben ausgetauscht. Sie sahen an ihnen noch bescheuerter aus als das Zeremonienkleid an Juliette.

»Juliette.« Bruder Daventree strahlte sie überschwänglich an. »Bist du bereit, eins mit den Göttern zu werden und unserer Gemeinschaft ein weiteres Jahr an Glück und Sicherheit zu bescheren?«

Ich bin bereit, dir dein verfluchtes Grinsen eigenhändig aus dem Gesicht zu kratzen, dachte Juliette.

»Es wird mir eine Ehre sein«, sagte sie.

»Dann lasst uns nicht länger warten.« Bruder Daventree klatschte auffordernd in die Hände. »Lasst uns das Opfer bringen, solange die Sonne noch hoch am Himmel steht.«

Meine Güte. Er verschwendete wirklich keine Zeit. Anscheinend wollte er Juliette noch dringender loswerden, als sie vermutet hatte. Wenigstens in dem Punkt sind wir uns einig, Arschloch.

Bruder Daventree führte ihre seltsame kleine Zeremonie an, gefolgt von Juliettes Eltern, sie selbst und schließlich Bruder Oliver. Die Hitze des Tages schlug Juliette ins Gesicht, als sie nach draußen traten, und drückte ihr sogleich den Schweiß aus den Poren. Der Himmel war stahlblau, keine Wolke weit und breit zu sehen, welche sie vor den glühenden Sonnenstrahlen hätte schützen können.

Ihre Mutter reichte ihr ein paar Turnschuhe, in die Juliette sogleich hineinschlüpfte. Die Sohlen waren dünn und ließen sie die Wärme des Asphalts deutlich spüren, aber wenigstens schälte sich ihre Haut nicht von ihren Füßen.

Sie traten hinaus auf die Straße. Im Gegensatz zu jenen der Älteren waren die Häuser hier fast alle in schlechtem Zustand; Ruinen aus der alten Welt, die mit Brettern und Plastikplanen notdürftig repariert worden waren. Wie Flickenteppiche zierten sie die Straße, jene unwirklichen Erinnerungen an eine Zeit, als die einzigen Monster menschliche gewesen waren.

Auf der gegenüberliegenden Seite der Straße sah Juliette Mrs. Darcey, ihre Nachbarin, auf der Veranda sitzen. Ein feines, zynisches Lächeln hatte sich auf ihren Lippen ausgebreitet. Die alte Hexe hatte diesem Tag vermutlich mehr entgegengefiebert als jede andere Person in Harlem. Stundenlang hatte sie Juliettes Mutter beim Tee erklärt, dass die alte Welt nur deshalb vor die Hunde gegangen sei, weil die jungen Menschen den Respekt vor ihren Älteren und vor Gott verloren hätten. Juliette erwiderte Mrs. Darceys Blick, zeigte ihr den Mittelfinger und drehte ihr den Rücken zu, noch während sich der geschockte Ausdruck auf dem Gesicht der Alten setzen konnte.

Sie begannen mit dem Weg zum Stadttor. Juliette sah die Menschen, die sie beim Vorbeigehen beobachteten, eng in ihre Hauseingänge gedrückt oder halbwegs versteckt hinter Wohnzimmervorhängen. Ein paar von ihnen stellten sich schützend vor ihre Mädchen, als hätten sie Angst, dass ihre Töchter ebenfalls mitgenommen werden würden.

Bruder Daventree sprach einige Gebete auf dem Weg, aber Juliette hörte ihm gar nicht zu. Im Kopf ging sie die Einzelheiten ihres Plans durch. Unauffällig drückte sie ihre rechte Hand, die sie die letzte Stunde zur Faust geballt hatte. Das kleine Gerät, das sich unter ihren Fingern verbarg, fühlte sich warm und schwitzig an. Aber es war noch da. Es hatte geblinkt, als Juliette es heute Morgen unter den Holzdielen ihres Betts hervorgekramt hatte. Das bedeutete, es war einsatzfähig – zumindest beschrieben es so die alten Bücher, die Juliette in ein paar Ruinen am Stadtrand gefunden hatte. Das war der einzige Teil ihres Plans, den sie im Voraus nicht hatte üben können. Das Einzige, was ihr ein Leben in Freiheit ermöglichen oder für immer verwehren konnte.

Als sie das Viertel endlich hinter sich ließen und in die Hauptstraße einbogen, konnte Juliette die Mauer erkennen – ein groteskes Gebilde, das die Dächer der Stadt überragte, errichtet aus unzähligen Trümmerteilen, welche nach dem Krieg übriggeblieben waren. An einigen Stellen standen riesige Betonelemente, aus denen rostige Stahlpfähle sich gegen den Himmel streckten. An anderen bestand der Wall aus nicht mehr als einfachen Holzbalken, die notdürftig zu einer Wand zusammengenagelt worden waren. Die einfachen, unförmigen Konstruktionen waren eine stumme Erinnerung daran, wie wenig Zeit den Menschen nach dem Ausbruch des Grünen Feuers geblieben war. Sie hatten keine Wahl gehabt, außer sich hinter hohen Mauern zu verstecken – vor den Infizierten, vor den Monstern, vor der Welt, vor sich selbst. So, wie sie es bis heute taten.

Juliette legte den Kopf in den Nacken und ließ ihren Blick zur Spitze der Mauer gleiten. Das ganze Leben hatte Juliette in ihrem Schatten verbracht. Heute würde sie sie endlich für immer hinter sich lassen. Heute würde sie tun, wozu Claire niemals in der Lage gewesen war.

Der Gedanke entfachte eine neue Glut der Entschlossenheit in ihr. Sie hatte viele Möglichkeiten zur Flucht gehabt in den letzten Monaten. Genau genommen hatte sie längst aufgehört zu zählen, wie oft sie sich nachts weggeschlichen und sich zwischen den kleinen Lücken in der Mauer nach draußen gequetscht hatte, um sich auf den heutigen Tag vorzubereiten. Mehr als einmal hatte sie nach einer langen Nacht mit dem Gedanken gespielt, der Stadt einfach den Rücken zu kehren und zu verschwinden. Aber dann hätte sie für immer mit dem Wissen leben müssen, dass Bruder Daventree und Bruder Oliver und all die Älteren viel zu leicht davongekommen wären, und das hätte sie nicht ertragen. Nein, Juliettes Abschied sollte so wehtun, wie sie Claire damals wehgetan hatten.

Sie kamen vor dem Stadttor zum Stehen. Bruder Daventree machte eine auffordernde Bewegung zur Wache, die oben auf der Mauer stand, und wenig später schob sich die schwere Flügeltür zur Seite. Dahinter führte die Straße weiter hinaus, durch endlosen Sand und Staub und vertrocknete Gräser, bis sie am Horizont verschwand. Juliettes Atmung setzte für einen Herzschlag aus. Die Große Weite. Der Ort, wo es keine Regeln und keine Mauern mehr gab. Die Menschen in Harlem sagten, dass das Gebiet außerhalb der schützenden Begrenzungen der Communitys voll von Monstern war – menschlich und anderweitig – und dass jene, die es betraten, nichts als der Tod erwartete. Juliette war es egal. Sie war bereit, es mit jedem verdammten Monster aufzunehmen, solange es bedeutete, endlich von hier wegzukommen.

Ein feines Beben ging durch den Boden, als sie das Tor durchschritten. In den letzten Wochen waren die Vibrationen unter der Erde deutlich spürbarer geworden. Die Götter waren hungrig.

Ein paar Fuß vom Stadttor entfernt kamen die Umrisse des Opferungspfahls zum Vorschein. Er stand auf einer kleinen Holzplattform, die von braunen Flecken und Spritzern bedeckt war. Ein Teil der rechten Ecke und des Pfahls war heller als der Rest – errichtet aus neuem Holz, nachdem die Götter letztes Jahr fast die gesamte Plattform mit sich in die Tiefe gerissen hatten.

Bruder Daventree drehte sich zu Juliettes Eltern um. »Mr. und Mrs. Wright? Ab hier muss ich Euch leider bitten zurückzubleiben.« Er lächelte. »Wir wollen die Götter schließlich nicht erzürnen.«

»Aber natürlich«, sagte ihr Vater. Er warf Juliette einen letzten Blick zu, dann schloss er den obersten Knopf seines Anzugs und trat ein paar Schritte zurück.

Juliettes Mutter wandte sich ihr zu. »Ich bin stolz auf dich«, sagte sie ohne jegliche Gefühlsregung in ihrer Stimme. »Was du für unsere Gemeinschaft tust, wird nie vergessen werden.«

»Und wir werden sicherstellen, dass wir deinem kleinen Geschwisterchen erzählen, was für eine bewundernswerte, mutige junge Frau du warst«, fügte Bruder Oliver an.

Juliette erstarrte.

Der Kopf ihrer Mutter schnellte zu Bruder Oliver herum, ein Ausdruck des Ärgers über ihre Züge huschend. Offensichtlich war diese Information nicht für Juliettes Ohren bestimmt gewesen. Unauffällig ließ sie ihren Blick über den Bauch ihrer Mutter schweifen. Jetzt, wo sie genauer hinsah, zeichnete sich darunter tatsächlich ein kleiner Hügel ab.

Obwohl es sie nicht hätte überraschen dürfen, konnte Juliette nicht verhindern, dass diese Gewissheit einen Stich durch ihr Herz jagte. Wie lange hatten ihre Eltern schon davon gewusst? Wie lange hatten sie es geplant? Wenn der Bauch ihrer Mutter sich bereits zeigte, dann bedeutete das, dass sie irgendwann kurz nach Juliettes Auserwählung schwanger geworden sein musste. Fast hätte sie zu lachen begonnen. Kaum war festgestanden, dass ihre Tochter sterben würde, hatten sie einen Ersatz aufgetrieben.

Ihre Mutter war stolz auf sie? Verdammte Heuchlerin.

»Juliette«, unterbrach Bruder Daventree die unangenehme Stille, die sich über ihre Gruppe gesenkt hatte. »Wenn du dann so gut sein würdest …« Er machte eine Bewegung in Richtung des Opferungspfahls. »Wir sollten langsam anfangen.«

Juliette sah ihren Eltern ein letztes Mal ins Gesicht – den Menschen, die ihr zwar das Leben geschenkt hatten, sich aber trotzdem wie Fremde anfühlten – und drehte ihnen dann so ruckartig den Rücken zu, dass ihr Kleid durch den Wind aufbauschte. Sie stieg die paar Treppenstufen zur Holzplattform hoch und atmete durch. Ein weiteres Beben ging durch den Boden, dieses Mal stark genug, um den Sand aufzuwirbeln und Risse im Asphalt der Straße auftauchen zu lassen. Bruder Daventree zog ein weißes Taschentuch aus seiner Anzugtasche und tupfte sich damit die Schweißperlen vom Kopf. Irgendetwas sagte Juliette, dass sie nicht allein der glühenden Hitze zu verschulden waren.

Sie stellte sich vor den Pfahl, während Bruder Daventree sich daran machte, ihre Hände hinter dem Rücken mit Seilen um den mächtigen Holzstamm zu binden. »Reine Sicherheitsmaßnahme«, erklärte er auf Juliettes unausgesprochene Frage hin. Dabei wussten sie beide ganz genau, welchem Zweck die Fesseln tatsächlich dienten.

»Lasst uns unser Opfer segnen«, sagte Bruder Oliver und hob die kleine Kanne hoch, die er den ganzen Weg mitgetragen hatte. Er schloss die Augen und begann, eins der Gebete zu singen.

»Schon gut, schon gut«, unterbrach Bruder Daventree ihn. Er warf einen Blick auf die Risse im Asphalt, die mit jeder Sekunde größer wurden. »Ich glaube, die Götter werden uns verzeihen, wenn wir die Zeremonie heute vorziehen.«

Bruder Oliver verstummte und räusperte sich. »Ganz wie Ihr meint.« Er hob den Krug über Juliettes Kopf und goss die dickflüssige, gelbe Flüssigkeit über sie. »Gesegnet sei das Opfer, das wir Euch heute darbieten, o Götter!«, rief er. »Ergnadigt Euch unserer und nehmt unser Geschenk an, auf dass die Menschen dieser Stadt ein weiteres Jahr unter Eurem gnädigen Schutz stehen!«

Juliette schüttelte sich und leckte sich über die Lippen, während die Flüssigkeit ihren Körper hinabtropfte und sich in ihrem Kleid festsog. War das etwa … Bratfett? Oh, diese verdammten Arschlöcher.

Bruder Oliver trat von ihr zurück und lächelte sie, beinahe entschuldigend, an. »Es wird alles gut«, behauptete er, was tragischerweise nicht einmal die größte Lüge war, die er am heutigen Tag geäußert hatte.

»Du tust das Richtige«, bestätigte Bruder Daventree. »Die Götter werden dein Opfer zu schätzen wissen.«

Genau wie eure Mägen, die ihr euch heute Abend meinetwegen vollschlagen dürft, dachte Juliette.

Bruder Daventree tätschelte ihre Schulter, dann machte er auf dem Absatz kehrt und trat von der Plattform hinab, Bruder Oliver im Schlepptau. Die letzten paar Meter bis zum Stadttor legten die beiden Männer mehr rennend als gehend zurück. Juliette hatte nicht einmal gewusst, dass sie überhaupt in der Lage waren, sich so schnell zu bewegen.

Ein weiteres Beben ging durch den Boden, stark genug, um das Holz der Plattform knacken zu lassen. Das gedämpfte Brüllen, das daraufhin folgte, ließ eine Gänsehaut Juliettes Arme hinabprickeln. Sie wartete ab, bis Bruder Daventree und Bruder Oliver hinter den schützenden Stadtmauern verschwunden waren, dann begann sie.

Zwölf Monate war es her, seit Claire an diesem Pfahl gestorben war. Fast ein ganzes Jahr, das Juliette damit verbracht hatte, sich auf diesen Tag vorzubereiten.

Heute war es endlich so weit.

Sie schloss kurz die Augen, nahm einen tiefen Atemzug und betastete mit den Fingern die Schnüre, die sie an den Pfahl fesselten. Dick, aber nicht zu eng gebunden. Bruder Daventree wusste offensichtlich, was er tat. Auch wenn er zweifellos nicht damit gerechnet hatte, dass Juliette die letzten Monate damit verbracht hatte, sich nachts heimlich aus allen erdenklichen Fesseln, Knebeln und Handschellen zu befreien.

Während ein weiteres Zittern durch den Boden donnerte, begann Juliette, an den Fesseln zu arbeiten. Sie kam langsamer voran als erwartet, ihre Bewegungen verkrampft, ihre Finger zitternd. Ein erneutes Brüllen bebte durch ihren Gehörgang, dieses Mal deutlich näher als zuvor.

Komm schon! Reiß dich verdammt nochmal zusammen!

Da! Den ersten Knoten hatte sie gelöst. Mit einem Keuchen löste sie ihre rechte Hand. Nur noch ein kleines Stück …

Beeil dich! Wofür hast du all die Monate trainiert?

Es gelang ihr endlich, ihre linke Hand zu befreien, gerade als ein weiteres Brüllen die Erde erzittern ließ. Sie riss ihre Hände hoch. Die Schnüre fielen hinter dem Pfahl zu Boden und ein Schatten fiel über Juliette. Sie fuhr herum.

Nur wenige Fuß von der Plattform entfernt hatte sich eine riesige, wurmähnliche Gestalt aus dem Boden geschraubt, größer als die Mauern selbst, mit einem langen Körper und mehr Beinen, als Juliette zählen konnte. Für ein paar Sekunden schien die Zeit den Atem anzuhalten, dann riss das Monster sein Maul auf und ließ die scherenartigen Klauen darin aufeinanderklacken.

Nein, kein Monster. Ein Gott.

Juliette begann zu rennen. Sie sprang von der Plattform und verlor sogleich das Gleichgewicht, als der Boden, auf dem sie landete, bebte. Sie fiel auf die Knie. Sofort kam sie wieder hoch, riss den Stoff ihres Kleids nach oben und sprintete weiter, ihr Herz laut in ihren Ohren pochend.

Der Tausendfüßler stieß ein Brüllen aus und schoss nach vorne. Aus dem Augenwinkel bemerkte Juliette, wie sich weitere Kreaturen aus dem Boden schraubten. Die Älteren hatten recht gehabt: Die Götter waren hungrig heute.

Keuchend sah Juliette über ihre Schulter zurück, die Plattform in ihrem Rücken halb verborgen unter den Lockensträhnen, die ihr über die Augen fielen. Zwei der Geschöpfe machten sich gerade am Holzpfahl zu schaffen, während das dritte Monster – das größte unter ihnen – blitzschnell über den Boden in ihre Richtung trippelte, die Mundwerkzeuge drohend aufeinanderschlagend.

Juliette öffnete die Hand mit dem blinkenden Gerät und drückte auf den Kopf.

Sie bereitete sich auf einen Knall, ein Beben, irgendetwas, vor. Doch nichts geschah.

Panisch betätigte Juliette erneut den Knopf, immer noch am Rennen, aber die Distanz zwischen ihr und den laut klackenden Mundwerkzeugen des Tausendfüßlers wurde mit jedem Atemzug kleiner und kleiner.

»Komm schon!«, schrie sie und hämmerte auf den Knopf. Hinter sich hörte sie das Trippeln Dutzender, flinker Füße auf sandigem Boden. »Geh endlich an, du verfluchtes Schei –«

Der Rest ihrer Worte ging in dem Schrei unter, der sich in diesem Augenblick aus Juliettes Luftröhre hervorzwängte. In einem Moment rannte sie noch, im nächsten Moment verlor sie den Boden unter ihren Füßen, während die Welt um sie herum zersprang wie die Scherben eines Spiegels. Ein hohes, schmerzhaftes Pfeifen schnitt durch ihren Gehörgang. Sie wollte sich die Ohren zuhalten, doch sie hatte keine Kontrolle mehr über ihre Füße, spürte ihre Gliedmaßen nicht einmal mehr und dann …

Juliette landete auf hartem Asphaltboden, die Ellbogen zuerst, dann ihr Gesicht. Der Aufprall vibrierte in ihrem Schädel wider, ließ ihren Kopf von innen dröhnen, während das Pfeifen weiter anhielt. Für einige Wimpernschläge war es ihr unmöglich, zu atmen. Erst, als warmer Regen vom Himmel fiel, gelang es ihr, einen erstickten Luftzug in ihre Lungen zu zwängen.

Zitternd kam Juliette auf alle viere hoch, ihr ganzer Körper bebend, das Kleid an ihrer Haut klebend. Der warme Regen hielt an und erst jetzt, wo sich ihre Sicht allmählich wieder aufklarte, realisierte Juliette, dass es kein Regen war, sondern Blut, das auf sie hinabrieselte. Blut und Hautfetzen und Überreste eines Körpers, in dessen Magen sie vor wenigen Momenten noch fast gelandet wäre.

Es hat funktioniert.

Der Sprengstoff, die Konstruktion, an der Claire so lange vor ihrem Tod gearbeitet hatte …

Es hatte alles funktioniert.

Juliette hatte keine Zeit, ihren Erfolg zu feiern, denn sogleich spürte sie ein neues Zittern, das durch den Boden raste. Taumelnd erhob sie sich, machte ein paar schwerfällige Schritte, bevor ihr Gleichgewicht zurückkehrte. Schwer atmend sah sie zurück. Die Plattform – oder wohl eher das, was von ihr übrig geblieben war – stand in Flammen. Daneben konnte sie die Überreste von zwei der Monster erkennen, die von der Macht der Explosion wortwörtlich in Stücke gerissen worden waren. Eine dritte Kreatur war zur Stadtmauer zurückgeschleudert worden, ihr Körper von zahlreichen Wunden übersät, ihr Brüllen wohl das Zittern, das Juliette verspürte, denn in ihren Ohren pfiff es nach wie vor.

Götter? Von wegen.

Sie löste ihren Blick von dem Schlachtfeld, das sie hinterlassen hatte, und setzte sich erneut in Bewegung. Es dauerte nicht lange, bis sie den Felsen fand, wo sie das Motorrad versteckt hatte. Es war ein rostiges altes Ding, gefunden in einem Straßengraben nicht weit von hier, übersät mit Blutspritzern und Kratzern. Für jemanden da draußen war das Motorrad der Weg in den Tod gewesen. Für Juliette würde es der Weg in ein neues Leben werden.

Rasch sah sie sich nach dem Rucksack um, den sie vorgestern Nacht unter einem Gebüsch in der Nähe versteckt hatte. Doch als sie die vertrockneten Blätter und Zweige anhob, erkannte sie, dass der obere Teil komplett zerfetzt war, die Vorräte zur Hälfte zerbissen oder verbeult.

Verdammt. Die Ghule mussten sich näher an die Stadt herangewagt haben, als sie für möglich gehalten hatte.

Das Pfeifen in ihren Ohren klang langsam ab und nun vernahm sie das Läuten einer Glocke aus Richtung der Stadt. Auf der Mauer tauchten die Umrisse von mehreren Gestalten auf, die Gewehre geschultert. Es schien, als hätten die Älteren Wind bekommen von ihrer Flucht.

Zeit, mich aus dem Staub zu machen.

Juliette stopfte ein paar nicht-zerkaute Überreste ihres Proviants in den kaputten Rucksack, schmiss ihn sich über die Schulter und schwang sich auf das Motorrad. Sie kickte den Ständer weg, woraufhin er vollständig von dem Gefährt abfiel, und drehte den Zünder. Die Maschine heulte auf, einmal, zweimal, dreimal, dann sprang endlich der Motor an.

Ein letztes Mal sah Juliette über ihre Schultern zurück nach Harlem, die Stadt, in der sie aufgewachsen war. Das Podest mit dem Opferungspfahl brannte, die Mauer war bespritzt mit dem Blut ihrer Götter und von oben schrien die Älteren irgendwelche Befehle, während sie sich an ihre Gewehre klammerten wie kleine Kinder an ihre Stofftiere. Es war der schönste Anblick, den Juliette je in ihrem Leben gesehen hatte.

Ein Grinsen schlich sich auf ihre Lippen, bevor sie den Motor einmal mehr aufheulen ließ. Dann raste sie davon, hinein in die Große Weite, hinein in ein Leben in Freiheit.

 

Das ist für Claire, ihr Bastarde.